Interview mit Dr. Frank Fritz

Das Interview mit unserem ältesten Turnbruder gibt Einblicke in ein reiches und interessantes (Turner)-Leben.

Dr. Fritz Frank unser ältester Turnbruder, ist 1923 in Klausenburg, dem heutigem Cluj-Napoca/ Rumänien geboren und durch Kriegswirren als Siebenbürger Flüchtling nach Österreich verschlagen worden, hat ein reiches und interessantes (Turner)-Leben hinter sich. Grund genug ein Interview mit ihm über seine Lebenserfahrung zu führen. Noch vor 3 Jahren am Turnboden in Helmut Csillags Vitalturnstunde, versprüht er trotz schwerem Krebsleiden noch immer die Dynamik aus, die ihn als Turner zeitlebens geprägt hat. So durften Helmut Kranzlmüller und Dietmar Enzenhofer ihn an einem warmen Nachmittag am 19. August mehr als eine Stunde lang interviewen.

Nachstehend das gesamte Gesprächsprotokoll, wesentliche Teile des Interviews wurden in unseren Vereins-Mitteilungen vom September 2020 unter dem Titel „Das aktuelle Interview“ veröffentlicht.

Im September trete ich in das 97. Lebensjahr ein, das ist natürlich eine Phase des Lebens, die einen sehr, sehr, immer wieder aufmerksam macht, dass der längere Lebensabschnitt hinter dir liegt, der der vor einem liegt, ist nicht so hoch.

Was meine Beziehungen zur Turnerei betrifft, so sind mir mit deinem Brief (Anm.: von Dietmar Enzenhofer), für den ich mich sehr herzlich bedanke, eine Menge Erinnerungen hochgekommen.

Die Beziehungen zur Turnerei bestehen seit meinem 14. Lebensjahr. Da hat mein Vater uns in einen Fechtkurs geschickt, weil das damals üblich war.  „Ein Student muss fechten können, um die Studentische Ehre zu vertreten“.

Der Fechtkurs hat stattgefunden unter einem Fechtlehrer in einem Turnsaal. In diesem Turnsaal standen die Turngeräte und in den Pausen durften wir uns auf diesen Geräten betätigen. Da war ein Turner, der hat den Handstand sehr gut gekonnt, und zwar den Krafthandstand, aus der Hocke gedrückt. Ich wollte das nachmachen und habe dann ein Jahr lang, jede Woche in den Übungsstunden - neben dem Fechten - den Handstand gedrückt geübt, dann habe ich ihn gekonnt.

In der Familie war ich von Haus aus ein schwächliches und zartes Kind und deshalb hat mich mein Vater zum Turnen geschickt, das war noch in Klausenburg/Rumänien

Durch die viele Turnerei ist es mir in der 6. Klasse dann passiert, dass ich einmal, wie wir Schüler uns in eine Reihe stellen wollten, mit meinem Nachbarn, der war ein sehr stämmiger junger Mann – ein Rumäne – zerstritten habe. Da hab ich ihn gepackt und geschmissen und er flog. Da war ich plötzlich der Starke und dieses Bewusstsein, dass ich durch das Turnen Kraft mache entstand 1939, da war ich 16 Jahre.  

Und dann änderte sich 1940 das Regime für die Siebenbürger von Rumänien auf Ungarn.

Da traten wir ein in das ungarische Gymnasium. Ungarn hatte eine das ganze Land umspannende Organisation für das Turnen, und zwar bestand ein Staatliches Turnabzeichen in drei Ebenen: Eisen, Bronze und Silber. Da waren vorgeschriebene Übungen, die haben die Turnlehrer in der Schule vermittelt und wer wollte, hatte sich dann zum Wettkampf angemeldet, in der jeweiligen Klasse und bekam dann das Abzeichen.

Das wäre so ähnlich wie das österreichische Landesabzeichen. Es wäre ja eigentlich nicht schlecht, wenn der Österreichische Fachverband ein solches länderübergreifendes Turnleistungsabzeichen einrichten würde – das wäre eine schöne Sache.

Also für dieses Turnabzeichen habe ich dann von 1940 – 1942 alle Ebenen durchgekämpft. So blieb ich dann aktiv in der Turnerei, 1942 kam die Matura. Dann ging ich nach Budapest, um zu studieren und habe dann dort wieder Anschluss ans Turnen gefunden. Neben meinem Studentenheim war der Trainingsplatz des Budapester Universitäts-Turnvereines und da passte es natürlich, dass ich Kontakt suchte und der Vorturner in der Linie, das war ein gewisser Pelle, der war ein Jahr vorher Geräteweltmeister in San Francisco geworden. (Anm.: Istvan Pelle, zweifacher Olympiasieger bei den Olympischen Sommerspielen 1928 in Los Angeles. „Pelle“ ist heute noch ein Übungsteil im Kunstturnen)

Und dann kam der Krieg, da bin ich eingerückt und habe körperlich das Ganze sehr gut durchgestanden, ich habe Glück gehabt, bin nicht in Gefangenschaft geraten und bin zu Fuß über den Dachstein heimgekommen. Der letzte Feldpostbrief von meiner Mutter enthielt das Flüchtlingslager, in welchem sie 1945 als volksdeutsche Flüchtlinge angekommen waren, das war in Vorchdorf.

Dort bin ich zuerst Bauernknecht gewesen und dann bin ich in einen Metallwarenbetrieb als Eisendreher eingetreten. In Vorchdorf hat es eine Turn- und Sport Union gegeben und die haben einmal an einem Sonntag einen Sportnachmittag gemacht und da bin ich hingegangen, als Zivilist, das war im September 1945.

Ich hatte eine ganz andere Leistungsebene hinter mir. Ich habe den Barren genommen, ich habe eine Stützkippe gemacht und etliche Handstände gestreckt und gegrätscht, da haben die natürlich fürchterlich geschaut. Und dann bin ich Mitglied geworden in der Turn- und Sportunion.

Die haben mich dann zu einem Vorturnerlehrgang – das war 1946 – nach Attnang Puchheim geschickt, das war ein ungeheizter Turnsaal, es war scheußlich kalt und ich erinnere mich noch, wie ich gejammert habe.

Und dann habe ich die Ausbildung als Elektroschweißer gemacht und als dieser Metallwarenbetrieb Pleite gegangen ist, da habe ich einen Posten gesucht und bin als Elektroschweißer in die VÖEST gekommen, das war 1948.

Die Turn- und Sportunion hat mich sofort weitergegeben nach Linz – ein gewisser „Fehliger“ war dort Obmann. Die haben mich sofort liebenswürdig aufgenommen und zum Jugendvorturner gemacht und damit ich – ich hatte damals die österreichische Staatsbürgerschaft noch nicht – die Jugendgruppe in Urfahr  trainieren kann, hat mir die Bundespolizei eine Fahrschein,  einen Österreichischen Ausweis gegeben, denn der Präsident der Sportunion – ein gewisser Schacherl, der eine Buchhandlung in der Linzer Landstraße hatte – war ein Verwandter der Familie des Polizeipräsidenten, der hat mir das verschafft. (Anm.: Urfahr lag in der russischen Besatzungszone, beim Übertritt an der Nibelungenbrücke musste man sich ausweisen).  Einmal in der Woche hab ich in der Fadingerschule den Jugendvorturner gemacht und einmal in Urfahr.

Und dann kam das Jahr 1950, da habe ich mich in eine österreichische Studentin verliebt und wollte heiraten - und ich war Ausländer. Da bin ich zum Arbeitsamt gegangen und habe die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt und erbitte dies aus den notwendigen Bestätigungen, Arbeitsverhältnis usw. Da zitiert mich der stellvertretende Leiter – Schmid hat er geheißen – und sagte, „Hr. Frank mit ihrem Staatsbürgerschaftsnachweis hat es was. Sie haben 5 Semester Jus studiert in Budapest, sie haben in Österreich in drei Jahren in kürzester Zeit fünf Facharbeiterprüfungen gemacht, unter anderem Technisches Zeichnen, Technisches Lernen. Daraus leiten wir, sie sind ein ehrgeiziger Mensch und wenn wir ihnen die Staatsbürgerschaft geben, dann werden sie wahrscheinlich weiterstudieren wollen und Akademiker haben wir genug und wir lehnen ihren Antrag ab“. Der österreichische Staat hat mich also nicht haben wollen. Darauf wollte ich mich der damals laufenden „Banater Auswanderung“ nach Deutschland anschließen, denn wenn der Staat mich nicht braucht, brauche ich ihn auch nicht.

Ich gehe zum französischen Verbindungsbüro, das damals in der Mozartstraße – gegenüber von der Polizei – eingerichtet war. Ich wollte mich erkundigen, da kam jemand bei der Tür herein und sagte: „Mon capitain, le transport vers Alger part“, ja das war eine Rekrutierungsstelle für die Fremdenlegion. Ich habe ihn verstanden und bin sofort hinaus und der Plan war ab.

Wie ich diese Absicht gehabt habe auszuwandern, habe ich alle meine Ämter als Vorturner niedergelegt, da kommt der Schacherl zu mir und sagt, das kann nicht sein, wir brauchen dich als Vorturner in Urfahr usw., gib mir deine Papiere, ich fahre damit nach Wien und in einer Woche hatte ich die Staatsbürgerschaft über die Turn- und Sportunion erhalten.

Dann habe ich natürlich studiert, habe geheiratet, habe Kinder bekommen, bin im Beruf vorwärtsgekommen, bin ins Angestelltenverhältnis gekommen und durch die vier Sprachen Deutsch, Ungarisch, Rumänisch, Französisch (Englisch habe ich dann noch dazugelernt), habe ich in den Verkauf gewechselt.

Und da, wie ich die fünf Semester studiert habe, habe ich vor den Prüfungen unbezahlten Urlaub beantragt, damit ich mich vorbereiten kann.  Alle diese Anträge mussten damals dem Generaldirektor, das war damals der „Hietzinger“, persönlich vorgelegt werden. Da bekomme ich auf einmal  ein Zitat zu ihm persönlich und mir zitterten die Knie. Ich gehe zu ihm und er sagte: „Hören sie, sie haben da unbezahlten Urlaub verlangt, was treiben sie da“. Ja also, ich bin Kriegsteilnehmer und ich möchte mein Studium fortsetzen und bin zu einer Prüfung gefahren. „Haben sie die Prüfung bestanden“ fragte er. Ich antwortete: Jawohl. Dann sagt er „Fräulein rufen sie die Personalstelle an, man soll dem Hrn. Frank den unbezahlten Urlaub sofort auszahlen“. „Melden sie sich nach jeder Prüfung“ – und ich bekam jeden unbezahlten Urlaub dann ausbezahlt.

1955 habe ich promoviert und wie ich von der Promotion nach Hause komme, finde ich auf meinem Schreibtisch einen Zettel, melden sie sich beim General. Ich melde mich also beim General und er sagt: „Ich habe mir das alles angeschaut, was sie seit zwei Jahren treiben, das gefällt mir nicht schlecht. Ich gratuliere ihnen zum Dr. Jur. und ernenne sie hiermit zum Prokuristen der Außenvertretung in Zürich. Heute ist Donnerstag, am Montag rufen sie mich aus Zürich an, die Fahrkarte holen sie sich bei der Sekretärin.“

So bin ich dann nach Zürich gekommen und war dort von 1955 – 1959. In Zürich hatte die Fremdenpolizei alle Ausländer in Evidenz und nach zwei Jahren Aufenthalt hatte man Berechtigung auf die Staatsbürgerschaft. Und wie das bei mir eingetreten ist, hat man herausgefunden, dass ich bei einer Sondereinheit gedient hatte. Da hat man der Direktion der VÖEST wissen lassen: „Hoffen sie nicht, dass der Frank jemals die Schweizer Staatsbürgerschaft bekommen wird“.

Daraufhin hat mich der Direktor Lukesch sofort zurückgeholt und hat mir die Organisation des Exportbüros übertragen und das habe ich dann ausgeübt und bin 1993 als Direktor in Pension gegangen.

Und wie meine Tochter in die Hamerlingschule gegangen ist, ……

Zwischenfrage: wie viele Kinder hast Du?

Ich habe drei Kinder, der Sohn ist 64, die Töchter 62 und 60, und ich habe drei Enkel und einen Urenkel.

Zwischenfrage. Und die Kinder sind in der Schweiz auf die Welt gekommen?

Der Junge 1954, eine Tochter 1956 und die andere1960.

……da hab ich mich für den Turnsaal interessiert und dort war der Turnverein Jahn. Da ich meine Mitgliedschaft bei der Union nicht fortgesetzt habe, war es naheliegend, dass ich in diesen Turnverein eintrete und so wurde ich Mitglied des TV Jahn, das war 1968.

Den ersten Mitgliedsbeitrag habe ich bezahlt November/Dezember 1968 30,-- Schillinge, ab 1969 dann 200,-- Schilling.

Zwischenfrage: waren deine Kinder auch im Turnverein?

Nein Meine Kinder sind nicht tunen gegangen, die haben diesen Biss, den ich durchgemacht habe, nicht gehabt, meine Tochter war nur im Gymnasium in der Hamerlingstraße.

An den ich mich besonders erinnere, das war Gottfried Hermann, ein österr. Meisterturner, an die Damen erinnere ich mich nicht mehr.

Es war ein Vereinswettkampf in Enns (Anm.: 6.Gauturnfest des ÖTB OÖ, 1970) und da habe ich dann am Pferd gewonnen und auch gesamt gewonnen. Mein Lieblingsgerät war der Barren, am schwierigsten waren für mich die Ringe.

Und so kann ich sagen, der Turnerei verdanke ich meinen Zustand, weil nicht jeder 97-jährige ist so wie ich jetzt bin.

Jetzt habe ich zwar ein schlimmes Leiden. Ich habe einen Tumor, der 2016 im Herbst festgestellt wurde, der ist nicht operabel. Da hat man eine Chemotherapie angeordnet und die verursacht entsetzliche Krämpfe und Schmerzen, Schlaflosigkeit, man hat keinen Geschmack, Haarverlust, Appetitverlust und mit diesen Problemen kämpfe ich einen täglichen Kampf.

Wenn ich mich heute niederlege, weiß ich nicht, ob ich schlafen werde, wieviel ich schlafen werde und wie viele Schmerzen ich haben werde. Ich habe dann Medikamente und mich hat auch schon der „Csillag“ sehr gut beraten. Ich bin im Prinzip also jetzt ein leidender Senior.

Bei einer neuen Magnetvermessung des Tumors wurde festgestellt, dass sich ein zweiter Tumor gebildet hat, so habe ich neben dem ursprünglichen Tumor jetzt ein zweites Geschwür im Auge, allerdings ist dies ein Weichzellengebiet, sodass nichts operiert werden muss, aber die Spannung im Auge ist immer größer geworden, es tränt und schmerzt und in der Nacht habe ich einen Verband drauf und mit so etwas muss ich mich jetzt herumschlagen.

Aber ich habe ein intensives Leben gehabt und über diese intensiven Stadien versuche ich mich an die alte Lebensleistung anzulehnen. „Hast du das geschafft, schaffst du das auch!“ Und da hat mir die Turnerei die Reserven geboten. Ich habe zu allem Kraft gehabt, bis die Chemotherapie begonnen hat, da habe ich zu nichts mehr Kraft gehabt.

Zum Beispiel diese Wiesenfläche hier, diese blühende Naturwiese, ich bin ich nicht in der Lage mich niederzulegen oder niederzuknien, weil ich nicht mehr aufkomme. Da müsste die Pflegerin kommen und mich aufheben.

Bezüglich meiner Beziehung zur Turnerei, bin ich meinem Vater dankbar, dass er mir den Weg zum Sport geöffnet hat. Ich war das kleinste Kind in der Familie, mein Vater war 1,83 m, mein Bruder, der im Krieg gefallen ist, war 1,86 m und ich war nur 1,76 m.

Meine lange Beziehung zum Turnverein ist meine lange Turnhose, ich werde sie sicher nicht mehr anziehen und ich schenke sie dem Verein und da ist noch die Sturmbandbinde (Anm.: Turnunterhose), die gehört noch dazu, die es schon lange nicht mehr gibt.

In den späteren Jahren hat die Familie – um einen Ausgleich zur Industrieluft zu haben – ein Grundstück bei Mühllacken gekauft, da stand eine Burgruine und da musste sehr viel gebaut werden. Da hat sich mein Lebensstil so sehr geändert, dass ich alle Bauhandwerke selbst durchgeführt habe, ich habe Gewölbe gemauert, Ziegelmauern, Zimmerei. Diese Ruine ist auch heute noch der Mittelpunkt der Familie, da kommt die Familie immer zusammen, also auch die Familie meiner Frau, der Schwager als Nachfolger, wir sind dann insgesamt 18 Personen.

Frage: wie heißt die Burgruine?  

Oberwallsee bei Bad Mühllacken.

Da muss ich sagen, die Turnerei hat mir die körperliche Existenzgrundlage geboten. Ich würde jedem Lehrer sagen, dass er seine Kinder laufen lässt, hüpfen lässt, denn ich bin ein Beispiel für körperliche Fernwirkungen der Betätigung.

Frage: Wie du zum Turnverein gekommen bist, wo hast du da geturnt?

 In der normalen Männerturnstunde, bei Vorturner Pilsl, später dann Alfred Edlmayr.

Frage: und wie war das als Kind damals beim Fechten

Beim Fechten hatte ich den Vorteil, dass ich Linkshänder bin und da habe ich mit Hurra die ganzen Corpsleute geschlagen, weil sämtliche Leute des Fechtvereines waren nicht eingerichtet, dass plötzlich ein Linkshänder kommt, da wurde ich dann Bezirksmeister. Und aufgehört hab ich dann, als ich eine Gegnerin bekam, die ebenfalls Linkshänderin war - eine hübsche junge Dame.

Frage: wie war das in Budapest?

In Budapest habe ich nicht mehr gefochten, da war ich schon im Leistungsturnen unter Pelle. In Klausenburg war ich in der Silber-Ebene und da wurden alle Turner in den Gymnasien aufgefordert, die schon das silberne Leistungsabzeichen hatten, zu den Landesmeisterschaften nach Budapest zu fahren. Das waren drei Tage mit 300 Teilnehmern, die Übungen waren schon sehr qualifiziert. Die Breitenarbeit mit Eisen, Bronze und Silber hat das Fundament geboten. Durch die Schule konntest du das Abzeichen schaffen.

Zwischenfrage: hat dich dein Verein zu diesen Meisterschaften geschickt.

Nein das ging über den Turnprofessor, der hat bekanntgegeben, nächste Woche ist Aufnahme für z.B. Eisen. Jedes Jahr waren zwei- bis dreimal solche Klassifizierungen und jeder junge Mann wollte natürlich so ein Abzeichen haben. Wir waren 28 in der Klasse und 5 stellten sich schon zum Wettkampf.

Zwischenfrage: ist die Leistung in der Schule gefördert worden oder bei einem Verein.

Nein Förderung nur über den Schulturnlehrer, der auch ein Funktionär des Fachverbandes war.

In Budapest habe ich 1942 – 1944 studiert, ich war bei keinem Akademischen Turnverein Mitglied, ich habe dort nur trainiert.

Frage: Warst du einmal Meister in Ungarn?

Bei Pelle war ich Aspirant für den Kader nominiert, für die nächste Olympiamannschaft. Aber die haben schon sehr stark trainiert und ich war ja schon berufstätig und konnte das nicht mitmachen.

Für mich ist das Gemeinschaftsdenken durch das Turnen sehr gepflegt.

Zwischenbemerkung: Man spricht ja nicht umsonst von der Turnfamilie.

Die Anlehnung an die Familie als Kräftereserve erlebe ich jetzt im Alter, da gehörst du hin.

Frage: du hast einmal ein Gedicht geschrieben über das Reckturnen, du wolltest einem Mädchen gefallen, war das deine Frau?

Nein, das war die Vorgängerin, da habe ich angegeben mit meiner Turnerei.

Frage: wie hast du dich im Alter motiviert, jede Woche in die Turnstunde zu gehen?

Meine Motivation war immer die Hochachtung am Turnen und die Lust an der Gemeinschaft.

Meine Pflegerinnen, mit denen ich sehr zufrieden bin, kommen beide aus Rumänien. Eine aus der Nähe von Temeswar und die andere aus der Nähe von Bukarest. Während der Coronazeit wurde der 4-Wochenturnus auf zwei Monate verlängert. 

Das sind zwei verschiedene Menschentypen, jenseits der Karpaten und herüber den Karpaten. Die einen waren westlich orientiert und die anderen waren unter dem Sultan. Die ganze Mentalität der Menschen ist verschieden. Rumänien vereinigt sie, die Denkweise, Redensweise, Handlungsweise, z.B. jenseits der Karpaten gehört Bakschisch, Korruption zum normalen Leben und diesseits der Karpaten hat die Kirche den Leuten ermöglicht, Schulen zu besuchen und am westlichen Rechtsgefühl/Rechtsbegriff orientiert. Der rumänische Mensch ist seinem Ursprung nach ein Hirte, der zieht mit tausenden Schafen von den Karpaten zum Donaudelta und dann wieder zurück. Und wenn ein Hirte mit tausend Schafen unterwegs ist und er braucht etwas, dann nimmt er es sich und zieht weiter, das ist für das rumänische Volk jenseits der Karpaten keine große Sache.

Daher sind die Diebstähle, die im Westen vorgekommen sind, zum großen Teil von den rumänischen Dieben verursacht. Es kommen immer wieder die Meldungen. Sie haben eine unglaubliche Intelligenz die Probleme zu lösen, was ein Hirte mit tausend Schafen auch muss, diese lösen und dann weiter zu ziehen.

Auf der anderen Seite ist das rumänische Volk in seiner Sentimentalität viel mehr fixiert als jedes andere. Die Glaubensfestigkeit, der Glaube an Gott, da gibt es keine Diskussion. Und dann hat es ein Sprichwort gegeben, wenn du ein Kind gut unterbringen willst, brauchst du eine rumänische Amme, ein ungarisches Dienstmädchen und eine deutsche Köchin. Das sind die Erfahrungen, die man macht, wenn man mit mehreren Nationen aufwächst.

Du kannst dir vorstellen, am 1. September 1940 war der Wiener Schiedsspruch, der hat den nördlichen Teil von Siebenbürgen von Rumänien abgetrennt und den Ungarn übergeben. Ich habe im Juni 1940 das rumänische Gymnasium in der 6. Klasse beendet und am 5. September am ungarischen Gymnasium in ungarischer Sprache fortgesetzt. Wir waren berechtigt, eine in Ungarisch an uns gerichtete Frage in Rumänisch zu beantworten – eine Sensation. So können Nationen miteinander umgehen. In Wien haben sie die größten Migrantenprobleme, weil sie einfach nicht aufeinander zugehen. Die Messerstichfreudigkeit der Afghanen und Kirgisen ist natürlich für die nichts Besonderes.  Aber hier ist es ein Verbrechen.

Frage: Was würdest du der heutigen Turnerjugend sagen?

Nicht träge sein, jede Freizeitbeschäftigung unter Beachtung der Tradition.

Ich stelle z.B. bei meinen Enkeln ein großes Wissensvakuum über verschiedene Probleme fest, die ich ihnen vermittelt hätte, wenn wir zusammengelebt hätten. Mein Enkel hat ein Planungs- und Beratungsbüro für künstliche Intelligenz, der lebt in Clouds und was weiß ich. Er ist ein lieber und gescheiter Mensch, aber er hat verschiedene Zusammenhänge des Lebens nicht, die für mich etwas bedeutet haben. Ein Ballspiel, ein schöner Ausflug in die Natur, ohne Sensation, ohne Motto, etwas Besinnliches, da könnte man sagen, „auf den inneren Menschen nicht vergessen“.

Ich kann mich noch an den Vater von Helmut Csillag erinnern, und an den Kondert Thomas, der war Siebenbürger-Sachse.

Na ja, die Siebenbürger-Sachsen stammen aus dem Rheinland und da waren in Westeuropa einige Überschwemmungen am Rhein und da haben einige die Landwirtschaft aufgeben müssen und da haben sich die Leute werben lassen und sind dann nach Siebenbürgen gezogen. Die haben dann verhandelt mit dem König, haben sich Privilegien geben lassen, so haben sie die Schule, die Verwaltung, die Kirche und sind mit ihrer westeuropäischen Kultur ein eigenes Land geworden im Karpatenbogen. Neben den Ungarn, die waren militärisch sehr aktiv und den Rumänen, die waren einfach da. Und das hat sich 800 – 1000 Jahre lang abgespielt, es entstand dann praktisch ein Volksstamm, die Siebenbürger Sachsen. Die sind dann von den Rumänen, den Kommunisten als Nazis gestempelt worden und zur Zwangsarbeit nach Russland geführt worden. Vor dem Anmarsch der roten Armee, sind einige aus dem Norden von Siebenbürgen, was an Ungarn angeschlossen war, nach Westen geflüchtet, wie meine Familie. Insgesamt sind 40.000 angekommen, derzeit leben noch etwa 20.000 in Traun, in Vöcklabruck, in Wels. Im Brauchtum und Volkskulturinstitut der OÖ. Landesregierung haben wir einen eigenen Sitz und Stimme. Ich bin 40 Jahre Obmann der Siebenbürger gewesen und bin jetzt Ehrenobmann.

Zwischenbemerkung: Wir möchten dein Leben in turnerischer Hinsicht Revue passieren lassen, auch ein bisschen die Jugend teilhaben lassen, die ja eigentlich ganz anders aufgewachsen ist und vieles nicht weiß. Die sagt, der hat ja in dem Alter noch geturnt und das möchten wir aufzeigen.

Die jetzigen Turnvereine gefallen mir sehr gut, da seid ihr auf dem richtigen Weg, da ist Dynamik drinnen, das ist Mobilität, Intensität. Nicht mehr so ein „Riege antreten, rechts marsch“, das war früher, jetzt ist es anders. Ich halte nichts von der preußischen Starre der Lebensformen.

Die Jugend hat es heute bestimmt nicht leicht und sie tut es auch nicht schlecht und sie bemüht sich.

Nur die Publizität, hast du jemals im Fernsehen etwas anderes gehört als Kriminalfälle? Du glaubst die ganze Welt besteht davon, dabei all das Positive, das ist ja da, davon wird nicht geredet.

Frage: Wenn du dich zurück erinnerst an dein turnerisches Leben, woran erinnerst du dich, was war dein Höhepunkt?

An das Turnfest in Enns und dann war noch eines in Vöcklabruck, da hab ich auch noch teilgenommen. (Anm.: Fritz hat bei den Turnfesten in Enns 1970, Linz 1971, Schärding 1980, Villach 1981, Braunau 1985, Krems 1986, Vöcklabruck 1990 und Graz 1991 teilgenommen und ist dabei 4 x Sieger in seiner Klasse geworden.) Ich habe immer das Gefühl, ein Turnfest war ein erarbeiteter Höhepunkt einer langen Gemeinschaftsarbeit, einer Bemühung, dann wirds gezeigt – das ist legitim.

Frage: Gibt es noch alte Fotos von dir bei der Turnerei?

Nein, da gibt es keine mehr.

Eines muss ich noch sagen, ich hatte im Krankenstand echte Probleme, und zwar geistige, die Einsamkeit, ich bin verwitwet und die Kinder sind überall untergebracht und da hab ich in irgendeiner Turnerzeitung so Übungsvorschläge gefunden – die Mache mit der Flasche - und das hab ich begonnen, und dann mache ich noch eine Ergänzung mit Spannband, das mache ich seit Wochen und seitdem bin ich ein anderer Mensch. Wenn ich schlecht geschlafen habe, dann mache ich 20 Minuten meine Übungen, da sind welche dabei, die kenne ich noch von „Csillags“ Turnstunde.

Wenn ich an meine Zeit in Vorchdorf zurückdenke, da war ich im Gebirge, ich war in der Zeit sehr beschäftigt und hab irgendwie nie das Gefühl gehabt, ich lasse etwas hängen, im Winter Schilaufen, im Sommer wandern, wenn ein Fußballspiel war, ist man hingegangen, wenn ein Turnfest war, ist man hingegangen, ja nicht hängen lassen, nicht träge sein.

Frage: Schifahren – ich kann mich noch erinnern an Großarl

Da gibt es doch irgendeinen Tee, die Schifahrer trinken da doch immer einen „Jagatee“? Da waren wir unterwegs und wir waren zu einem Jagatee eingekehrt, es war eine gute Stimmung und es ist zum Weiterfahren gekommen, da stellt sich die Andrea vor mir auf und sagt: „Du fährst jetzt hinter mir, aber langsam“, denn ich war ein bisschen vom Jagatee zum Leichtsinn angeleitet, das hat sie sofort erkannt und hat mich eingebremst.

Ja und jetzt danke – das war ein sehr interessanter Besuch, so einen hab ich noch nie gehabt.

Ja, auch für uns war es sehr interessant und wir sagen ebenfalls danke!

                            Helmut Kranzlmüller und Dietmar Enzenhofer